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Gerda Lepke

Rede zur Ausstellungeröffnung Martin Hoffmann »Köpfe und Räume«
am 13. Januar 2007 im Geraer Kunstverein

Liebe Gäste, Liebe Freunde! Liebe Mitglieder des Geraer Kunstvereins,
Liebe Tinka Wolf, lieber Martin Hoffmann!

Ich begrüße Sie herzlich zu dieser Eröffnung.
Martin Hoffmann, 1948 in Halle an der Saale geboren, lebt bis 1975 in Halle und Berlin, studiert in beiden Städten Mathematik und beginnt zusätzlich ein Grafik-Abendstudium in Berlin Weißensee. 1975 schließt er das Mathematikstudium mit Diplom ab, wird aber nie in diesem Beruf arbeiten.
In Halle gab es die ersten Begegnungen, Gespräche und Freundschaften mit bildenden Künstlern, wie Möhwald, der Keramikerin, Brade, Götze, dem Maler Albert Ebert.
Übergesiedelt nach Berlin, arbeitet er in einer Druckerei, seit 1975 als freiberuflicher Maler und Grafiker. Im dreijährigen Abendstudium, in der Druckerei, in Begegnungen, in Ausstellungen – 1970 ist M.H. in Warschau, begegnet den Arbeiten von Rauschenberg, Warhol, Lichtenstein – in Berlin sind es u. a. Achim Freyer, Harald Metzkes, Butzmann – diese Begegnungen fördern und festigen neben anderen Dingen seinen Entschluß für den künstlerischen Weg, er wird Grafiker. Es ist ein Weg als Autodidakt. Erste Anregungen gab es selbstverständlich bei Schwitters.
1976 - 1986 ist er Kursleiter im Pankower Kunstzirkel »Palette Nord«. In dieser Zeit entstehen Collagen, es sind Antithemen zum Zeitgeschehen.
Die Literatur – immer ein Thema bei M.H., kommt ins Bild. Ab 1980 entstehen selbstverlegte Plakate und die Anfänge der Schattenzeichnungen. 1981 ist er Mitbegründer und Teilnehmer des Friedenskreises in der evangelischen Kirchgemeinde Alt-Pankow.
Seit 1981 gemeinsames Leben mit Tinka Wolf, ab 1982 mit Helene, der Tochter, und 1984 mit Anton, dem Sohn.
1990 ist er Mitinitiator beim Aufbau der Arbeit von »amnesty international« in der DDR bzw. in den östlichen Bundesländern. Seit 1991 Erweiterung der Arbeit: Buchgestaltung für den Verlag Gerhard Wolf Januspress, Arbeiten in der Gebrauchsgrafik, Gestaltung von Büchern von Christa Wolf Hierzulande – Andernorts, Leibhaftig, Ein Tag im Jahr (20 Collagen), Christa Wolf – Ein Biographie in Bildern und Texten (dafür die Konzeption und Gestaltung).
Seit 2000 die Beschäftigung mit Kopf-Collagen.
2004 ein Stipendium als »Stadtschreiber zu Rheinsberg«, in dieser Zeit Arbeit am Buchprojekt Werktätige mit Faltbeutel, mit 21 Collagen.
Viele Ausstellungen und Beteiligungen – vor allem bis 1989 – an Grafikbiennalen, Konzeptionen und Gestaltungen zur Literatur- und Zeitgeschichte, Katalogen und Büchern.

Martin Hoffmann ist mit Konsequenz und Leidenschaft Grafiker.
Diese seine Sache bestimmt sein Leben. Die Entscheidung für die grafischen Mittel war von Anfang an Ausgangspunkt seiner Arbeit, haben der Vielfältigkeit Hoffmanns die Struktur gegeben. Es ist ungewöhnlich, dass ein Künstler trotzdem von sich sagt: „Ich habe als Kind nie gern gezeichnet“.
Peter Böthig nennt Hoffmanns Bildgegenstände nackt, frontal zum Betrachtenden gearbeitet. Eine Antwort Hoffmanns darauf ist: „Ich kann das Malerische nicht“.
Die grafischen Mittel werden zur Übung eingesetzt, je nachdem wie die Fertigstellung des Bildes es verlangt. Gestaltung, die versucht Betroffensein festzuhalten, Variationen zu immer anderen Erscheinungen oder ein sich ins Verhältnis setzen zu den Verhältnissen.
In einem Gespräch zitiert er Marx: „Die Verhältnisse zum Tanzen bringen, indem man ihnen ihre eigene Melodie vorspielt.“ Damit wird etwas ausgesagt über den Entstehungsprozess des Arbeitens als inneren Bildvorgang.
Wer sich mit Hoffmann und seinen Arbeiten einlässt, wird befragt. Es geht ihm um Probleme, auch derer, die im Gegenüber sind. Im Gespräch mit ihm wird klar, dass es die Grundfunktionalität für seine Gestaltung, für seine Vielfältigkeit ist. Herausfinden, Suchen, Entdecken, Aufdecken, Bloßlegen – Hoffmann tut dies mit Intensität, hofft auf Klärung, wechselt die Techniken als Mittel zum Zweck. „Kunst muß klären“ – Helmut Brades Satz hat Martin Hoffmann verinnerlicht.
Es sind Ereignisse, Geschehnisse, die die Bildgestaltung bestimmen. Bedrängendes, Bedrückendes, Öffentliches wird aufgegriffen, darauf hoffend, dass es nicht nur ihn allein bewegt. Vor dem Beginn der Arbeit ist die Erregung und die Emotion. In so kahlen Motiven wie Raum, Gegenstand, Schatten, findet er oder entdeckt das Geheimnis. Und es gelingt ihm, dieses Fremde, Unheimliche in eine magische Bildfassung zu bringen, frontal zum Betrachtenden.

Hoffmann ist Mathematiker. Auf die Frage ob Mathematik Spuren hinterlassen hat ist seine Antwort: „Man sucht eine Lösung, die stimmt. Schritt für Schritt – und irgendwann auch mit dem Ehrgeiz zur Eleganz. Eine Lösung so weit treiben, dass sie ausgereizt ist. Ich versuche, Überflüssiges wegzulassen und das Bild möglichst klar zu kriegen. Also: Fensterrahmen, Glasscheibe, Draußen, die Wand davor – das soll klar zu sehen sein. Und wichtig sind Proportionen.“
Hoffmann baut. Es sind Rhythmen, die Beziehung zum Gegenstand, zur Fläche aufnehmen.

In dieser Ausstellung hängen Zeichnung und Collage nebeneinander – für mich ist interessant, wieviel Nähe beide Arbeitsformen haben, bei unterschiedlichen Mitteln und Motiven.
Der in der Zeichnung erarbeitete perspektivische Raum bildet sich in den „Kopfarbeiten“ in einen bildnerischen Erlebnisraum um. Das Auge wird anders geführt, die Konzentration in die Blattmitte, das Frontale, ist eine mit den Augen und Sinnen begehbare Fläche geworden.
Aufgebaut von innen nach außen – oder unten nach oben – erscheint es in der Betrachtung wie ein Relief. Die realistische Vorgabe bestimmt den Charakter des Sehens. Zusammengesetzt aus durchscheinenden Papierschnipseln, sogenanntes Pergaminpapier (man verwendet es für Arbeiten im Archiv, in Fotoalben, ein Papier mit wenig Säuregehalt.) – damit wird hier ein unausweichliches gerüsthaftes Kopfgegenüber zelebriert. Die Grundfläche ist in stiller Bewegung dazugearbeitet, aus dem Blattraum heraus erfolgt die Plastizität des Gegenstandes.
Martin Hoffmann sagt: „Das Antlitz der Gäste, die auf den Collagen zu mir kommen, kenne ich vorher nicht. Mit den ersten Papierstücken entsteht eine Bewegung auf dem Dunklen. Mit ihr trete ich in ein Gespräch, möchte mein Gegenüber kenntlich werden lassen. Später gilt es, sie nicht festzulegen, den Prozess des Annäherns nicht zu beenden.“
Genau dieses ist ein wesentliches Element der Kopf-Collagen, sie vermitteln ebenso Schwebendes, Losgelöstes wie Festgelegtes. Damit treten sie auch ein in einen Zeitraum von Vergangenheit, erinnern mich an Grabtücher vergangener Kulturen. In ihrer frontalen Unbeweglichkeit (wichtig sind für diese Wahrnehmung Hals- und Schultergestaltung) erhalten sie einen Grad von Nacktheit, eine Grammatik des Bildes, an der Martin Hoffmann immer gearbeitet hat.
Hier zeigt sich der Künstler auch als Theatermann, als Maskenbildner, als Einer, der eine Bühne für Begegnung schafft. Die eigene und die der Betrachtenden. Begriffe wie u. a. Verletzung sind hier möglich, aber auch der der totalen Anonymität.
Es ist wohl ein Grenzbereich der Selbstbefragung, der sich im Zusammentragen von durchsichtigen Papierschnipseln, kleinstteilig aufgeklebt, ergibt. Stück für Stück, wochen-, monatelange Arbeit an jedem Bild.
Hoffmann kann im Eigentlichen nicht erklären, warum er diese komplizierte langwierige Arbeitsweise zur Gestaltung seiner Köpfe anwendet. Der Arbeitsgang erscheint wie ein unendlich übereinandergelegtes Labyrinth – das Auge folgt dem imaginären Prozess der Darstellung. Martin Hoffmann sagt dazu: „Bilder möchten Medium für Begegnungen – auch mit sich selbst – sein“.
Es ist eine Seh- und Erlebnisweise, die ihre Wurzeln im 20. Jahrhundert hat. (Ich nenne hier den Namen des Bildhauers Giacometti). Martin Hoffmanns Köpfe provozieren, haben keine unmittelbare Wirklichkeit. Es ist als wären durchsichtige Masken erfundener Lebender im Raum. Eine andere Realität wird behutsam ausgebreitet. Betrachten ist ein Sich-Einlassen in die Arbeit eines Künstlers, der Bekanntes entfremdet, Poesie und Provokation verbindet, keine einladende Geste über spielerische Formen für die Betrachtung anbietet.
Das Einsehen in die Köpfe-Collagen erlebe ich als langsamen Gesprächsprozess im Für und Wider, in der Ab- und Zuwendung. Und das – so scheint mir, lieber Martin, – ist auch dein Anliegen.

Ich wünsche dieser Ausstellung ein interessiertes Publikum. Nehmen Sie die Gelegenheit wahr, mit dem Künstler zu sprechen, er ist auch ein Mann der Worte.
Danke fürs Zuhören.

 

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